Um die Jahrhundertwende, nachdem der Juwelier Giese sein Geschäft in die Börsenstraße 5 verlagerte, zog die Firma S. B. Cohn & Eisenstädt in die Marktstraße 46 um.
George Hanff, ein in Kanada lebender Urenkel von Adolf Eisenstädt stellte die folgenden Informationen zusammen:
Der Besitzer des Konfektions-, Manufaktur-, Tuch- und Modewaren-Geschäfts Adolf Eisenstädt war auch Stadtverordneter im Gemeinderat. Als er starb, übernahmen Ernst Hanff und Leopold Becker das Geschäft. Ernst und Leopold waren mit den Eisenstädts verschwägert. Ernst Hanff war mit Adolf Eisenstädts Tochter Magda verheiratet.
In den 20er und 30er Jahren bekam die Bekleidungsproduktion des Betriebes einen steigenden Stellenwert (Manufaktur u. Konfektionsgeschäft Cohn & Eisenstädt). Man ergänzte den Firmennamen mit "Das Haus der Moden."
Die Beckers und andere Verwandte lebten in den oberen Etagen des Gebäudes. Ernst und Magda Hanff wohnten in der Nachbarschaft.
George Hanffs Vater Siegfried war der Sohn von Sally Cohn und Erna Eisenstadt. Sally starb im Ersten Weltkrieg im Kampf gegen die Russen. Das war Anfang April 1916, kurz nach der Schlacht am See Naroch in der Nähe von Wilna. Siegfrieds Mutter Erna starb wenige Jahre später. Siegfried wurde von Ernst und Magda adoptiert, womit er deren Nachnamen Hanff bekam. Siegfried ging an die Knaben-Schule zu Memel und dann an das Luisen-Gymnasium zu Memel.
Die Hanffs und Beckers waren Juden, stolze Deutsche und prominent in der Gemeinde. Ernst Hanff war Mitglied von B'nai Brith und für lange Zeit der Präsident des Jüdischen Krankenhauses. Leopold Becker war "Schiedsmann Bezirk II".
Die Familie besaß auch eine der Villen in Sandkrug in der Nähe des Kurhauses.
Bei der Rückkehr Memels ins Reich floh die Familie nach Kaunas, und verlor dabei praktisch alles. Der Umzug half nicht viel. Unter den vielen, die in dieser Zeit umkamen, waren auch Magda Hanff und Leopold Becker. Ernst Hanff starb 1934 eines natürlichen Todes.
Siegfried (mein Vater) sah die folgenden Ereignisse voraus und ging deshalb mit seiner Frau Ruth Bergman (aus Kinten) in Frankreich auf die Suche nach einem sicheren Wohnort. 1939 verließen sie Europa von La Rochelle aus in Richtung Chile. Da Siegfried auch die Ankunft der Kommunisten in Chile vorhersah, zog die Familie im Jahr 1963 nach Kanada.