Im Januar 1911 gab Johannes Sembritzki die kleine, nur für Freunde und Gönner gedruckte Schrift "Zum fünfundzwanzigjährigen Schriftsteller-Jubiläum" heraus. Seit jenem Jubiläumsjahr sind inzwischen 100 Jahre vergangen, weshalb an dieser Stelle an den Apotheker, Historiker und Schriftsteller Johannes Sembritzki (mit Zitaten aus seiner Jubiläumsschrift) erinnert werden soll. Johannes Sembritzki wurde am 10. Januar 1856 zu Marggrabowa (Ostpreußen) als Sohn des Lehrers an der dortigen Elementar-Armenschule Carl Sembritzki (oder wie er sich seiner polnischen Abstammung zufolge schrieb: Sembrzycki) und seiner Frau Aurelie geb. Dziobek geboren. Vom 4. bis 13. Lebensjahre wurde Sembritzki von seinem Vater selbst völlig unterrichtet. In seiner freien Zeit las er eifrig Bücher aller Art aus dem 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, die sich noch aus dem Nachlaß seines mütterlichen Großvaters, des Kantors seiner Geburtsstadt, erhalten hatten. Da er viel allein und sich selbst überlassen und von seiner (1880 verstorbenen) Mutter verwöhnt war, bildete sich bei ihm, wie er selbst in seiner autobiographischen Skizze sagt: "eine im Keime von väterlicher Seite her schon vorhandene, große Eigenwilligkeit, Eigenart und Selbständigkeit aus", neben welcher eine durch die Abgeschlossenheit erzeugte und ihm lange anhaftende Schüchternheit und Unsicherheit im Umgange nebenherlief. Nachdem Sembritzki ein Jahr lang die oberste Klasse der Stadtschule zu Marggrabowa besucht hatte, kam er am 1. Oktober 1869 auf die Quarta des Gymnasiums zu Lyck, welches er am 6. Juni 1874 mit dem Zeugnis der Reife für Prima verließ, um nach Absolvierung seines Militärjahres und Versuchen in anderen Berufen am 1. April 1877 bei dem Apotheker seiner Vaterstadt in die Lehre zu treten. Nach der Tätigkeit als Apotheker an verschiedenen Orten hauptsächlich in Ostpreußen fand er in Memel eine dauernde Heimat. Er heiratete am 18. Februar 1881. Diese Ehe endete durch den Tod seiner Frau am 31. März 1902, worauf er bald eine neue Ehe einging, die bis zu seinem Tod bestanden hat. Etwa im dreißigsten Lebensjahr begann er, "nicht wegen des etwa dabei zu gewinnenden Honorars, sondern lediglich einem inneren Triebe folgend", literarisch tätig zu sein. Nach kurzer Zeit wandte er sich der Heimatkunde, insbesondere der ostpreußischen Literaturgeschichte zu. Seit 1886 erschienen von ihm zahlreiche Aufsätze in der "Altpreußischen Monatsschrift" und weiteren Zeitschriften wie z.B. im "Memeler Dampfboot". Seine bekanntesten Werke in Buchform sind: Über seine reichhaltige Bibliothek schrieb Sembritzki: "Die schöne Bibliothek von über 3300 bibliographischen Nummern, die ich heute mein eigen nenne, und deren meiste natürlich dem 18. Jahrhundert, besonders der klassischen Periode der deutschen Literatur, entstammen, bildet meine Freude und meine Erquickung; sie hilft mir hinweg über die vielen Widerwärtigkeiten des Lebens. Es ist manch' seltenes und merkwürdiges Buch darin." Weiter schreibt er über sich, wobei er persönlichste Gedanken und auch verletzte Gefühle preisgibt: "Ich bin in politischer Beziehung ein Freund frischer, fröhlicher Attacken, liebe gerades, entschiedenes Auftreten und verschmähe die für mich so leicht zu durchschauenden "diplomatischen" Winkelzüge. Hinterlist und krumme Wege finde ich unehrenhaft. Meine literarische Thätigkeit hat mir manche Freunde und Gönner (Ihre Zahl deckt sich etwa mit der Auflageziffer des Titelblatts), aber andererseits auch viele Gegner, viele Anfeindungen erworben. Ich wundere mich darüber weiter nicht; es trifft das wol Jeden, der in einer Kleinstadt anders ist als die Andern. Während meine werthen Fachgenossen nichts sind als eben nur Fachgenossen, wage ich es, obwol als einfacher, unstudirter Gehülfe dazu noch gar nicht im Stande, wissenschaftlich-literarisch thätig zu sein; während man in Memel aus Handelsinteresse glaubt, gar nicht liberal genug sein zu können, oder doch im "Gemässigtsein" das Heil erblickt, wage ich es in offensichtlich geistiger Beschränktheit, mich entschieden zur agrarisch-conservativen Partei zu bekennen, auch sammle ich - wie komisch! - alte Bücher, welche andere, vernünftige Leute auf den Dachböden liegen lassen; während man in literarischen und anderen Kreisen gern der von einer Autorität gegebenen Richtung folgt, besitze ich unbescheidener Weise den Muth der eigenen Ueberzeugung, auch Höherstehenden gegenüber. Gründe genug zu offenen und versteckten Angriffen, übler Nachrede, auf Klatsch beruhenden falschen Auskünften über mich und anderen niedrigen Gehässigkeiten. Derlei muß man eben, wenn man seinen eigenen Weg gehen will, mit in den Kauf nehmen; ich flüchte mich davor gern in Gottes schöne Natur und zu den "unterrichtenden Todten", wie Zachariä die Bücher nennt. Kein Wunder indess, wenn ich mit der Zeit doch etwas misstrauisch, schroff und verbittert geworden bin; erlittenes Unrecht vergesse ich nur sehr schwer." Bei seiner Arbeit zur "Geschichte des Kreises Heydekrug" starb Johannes Sembritzki am 8. März 1919 in Memel. Das Buch wurde deshalb nur etwa zur Hälfte fertig. Schließlich ergänzte Artur Bittens es anhand des vorhandenen Materials, so daß es im Jahre 1920 erscheinen konnte. |